geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Eversten - Dorf, Vorort, Stadtteil


Friedrich Wilhelm Schaer

Eversten - Dorf, Vorort, Stadtteil
Mit dem Namen Eversten verbindet sich für viele Oldenburger ein hoher Freizeitwert. Wer denkt dabei nicht an das Everstenholz, wer hat nicht das Erholungsgebiet der Tonkuhle vor Augen? Der eine oder andere Naturfreund mag sich dabei auch an das - noch! - unberührte Everstenmoor vor dem Wildenloh erinnern. Eversten ist kein so alter Vorort wie Osternburg oder das Viertel nordwestlich des Pferdemarkts. Everstens Tradition als Jagdrevier der Grafen bzw. Herzöge und Großherzöge von Oldenburg reicht allerdings bis in das Mittelalter zurück. Seitdem die Herren von Eversen, die anscheinend dem späteren Dorf Eversten seinen Namen gaben, um 1500 im Mannesstamm ausstarben, gab es hier nur noch den gräflichen Grundherrn. Besonders der letzte oldenburgische Graf Anton Günther, scheint in den zahlreichen Gehölzen südwestlich der Stadt im Jagen und in der Vogelbeize Erholung von seinen Amtsgeschäften gesucht zu haben. Daran erinnert nicht nur das Everstenholz, sondern ebenso die benachbarte, heute längst verschwundene Hühnerfängerei, bei der sich ein Vogelherd befand.



Auch einen gräflichen Lustgarten gab es schon damals im Dreieck zwischen der heutigen Gartenstraße, Roggemannstraße, Holzweg und Meinardusstraße, also nicht weit entfernt vom jetzigen Schloßgarten. Als dann das Grafenhaus 1667 ausstarb, verfielen diese Anlagen, bis dann Herzog Friedrich August, der erste oldenburgische Regent nach der Loslösung von Dänemark, die „Lebensqualität" der von seinen Vorgängern arg vernachlässigten Residenz zu verbessern suchte.

In den Bereich dieser Bestrebungen gehört die Anlage von Promenadenwegen und die Errichtung eines Brunnens im Everstenholz, das nun auch der Erholung der Bürger dienen sollte. Diese Maßnahmen wirkten sich für die weitere Entwicklung Everstens sehr günstig aus. Wo im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts das gehobene Oldenburger Bürgertum promenieren und seine „Schreber"-Gärten nutzend einen Teil seiner Freizeit zu verbringen pflegte, entwickelte sich nach 1815 eine sich immer weiter nach Westen ausdehnende parkartige Wohnsiedlung, die Gartenstraße. Sie schuf die Landbrücke zu dem zwischen der Linie Wienstraße-Hauptstraße-Marschweg einerseits und dem Everstenmoor andererseits weit verstreut liegenden Dorf Eversten.

Wie kam es, dass dieses Dorf - im Gegensatz zu Osternburg - erst spät, das heißt in der Mitte des 19. Jahrhunderts, den Anschluß an die städtische Bebauung fand? Unmittelbar westlich und südlich der Bastionen beiderseits des Eversten Tores erstreckte sich viel herrschaftliches Land, das Jahrhundertelang nicht bebaut werden durfte, weil es im Schußfeld der Festung Oldenburg lag. Nördlich, westlich und südlich des Everstenholzes schlossen sich mehrere Niederungsgebiete an. Das wichtigste von ihnen war die Everstenmarsch, die beiderseits des heutigen Marschweges gelegene Gemeinweide.



Doch nicht nur die Siedlungsfeindlichkeit des Geländes stand einer Bebauung im Wege. Gewiß spielte auch die selbst für damalige Zeiten sehr ungünstige Verkehrslage eine Rolle. Durch Eversten führte, ehe Mitte des 19. Jahrhunderts der Weg nach Edewecht angelegt wurde, keine Land- oder gar Heerstraße. Eversten glich einem Sack, der sich nur zur Stadt hin öffnen ließ.

Nur schrittweise konnte diese Isolierung überwunden werden. Die Anlage der Gartenstraße nach 1815, die Pflasterung der Edewechter Landstraße (1896) und der Eichenstraße (1899) und nicht zuletzt die Bebauung des Dobbenviertels, die zur Anlage der Meinardusstraße (1905) führte, schlossen das Dorf immer mehr an die stark wachsende und sich ausdehnende Stadt an.

Bevor Eversten das Ansehen eines halb städtischen Vororts gewann, verfügte es über nur bescheidene Ansätze zu einem kulturellen Eigenleben. Seit etwa 1745 gab es eine kleine Dorfschule (an der heutigen Hauptstraße, nahe beim Tannenkamp), nach der starken Bevölkerungszunahme im 19. Jahrhundert dann drei Volksschulen. Erst 1897 konstituierte sich - fast gleichzeitig mit der politischen Gemeinde Eversten - eine eigene Kirchengemeinde. Wegen der starken Verschuldung der in St. Lamberti vereinigten Stadt- und Landkirchengemeinde und wegen der konservativen Einstellung der Landbevölkerung waren die Auseinandersetzungen und Verhandlungen zwischen den verschiedenen Interessengruppen über mehrere Jahrzehnte hinweg ergebnislos verlaufen, ehe sich schließlich die neuen Kirchengemeinden Eversten, Ofen und Ohmstede bildeten.

Die Entwicklung der Landschaft zwischen Hausbäke und Everstenmoor vom locker verstreuten Grundbesitz der Ritter von Eversen im Mittelalter bis zur selbständigen Vorortgemeinde Eversten um 1900 war weit gewesen. Unterdessen hatte sich auch die soziale und berufliche Struktur der Bevölkerung völlig verändert. Wo noch im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert nur „kleine Leute" - Köter, Landarbeiter und einige Gewerbetreibende - gewohnt hatten, siedelten sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts immer mehr stadtmüde Bürger an, die tagsüber in der Residenz als Beamte und Angestellte oder als Selbständige ihrer Arbeit nachgingen. Diese strukturelle Besonderheit Everstens ist bis heute im großen und ganzen erhalten geblieben.

Quelle:

Friedrich-Wilhelm-Schaer in H. G. Zemke "Eversten an der Schwelle zum Jahr 2000" (Verlag Knoth, Melle, ISBN 3-88368-310-8), Seite 33-35.