geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Das Eversten Moor


Georg Bredehorn

Das Eversten Moor
Einige tausend Jahre bestimmten Sumpf und Moor das Aussehen der Land schaft zwischen der Altstadt und dem Wildenloh, lediglich unterbrochen vom Eversten Holz und ein paar eingestreuten Geestinseln. Davon übrig geblieben sind die Teiche nördlich des Eversten Holz und ein kleiner Moorrest im Südwesten der Stadt, auf dem heutigen Gebiet von Nordmoslesfehn und Eversten gelegen.

Das Mohr vor den Everster Thor war Teil des fast bis zur holländischen Grenze reichenden Moorgebietes. Es umfaßte im Westen der Stadt in etwa den Landstrich zwischen dem Wildenloh im Norden und dem Küstenkanal im Süden und erreichte im Osten den Marschweg und an einigen Stellen sogar den Prinzessinweg. Ursprünglich war das Moor etwa 800 ha groß und an einigen Stellen bis zu 10 Meter hoch. Davon ist für den Betrachter nur ein kleiner Rest von 73 ha übrig geblieben. Auch wenn sich diese Fläche für das Auge als eine geschlossene Moorlandschaft darstellt, wechseln sich erhalten gebliebene Hochmoorflächen mit ausgegrabenen Torfmooren ab. Nur der erst seit 50 Jahren entstandene dichte Birkenbestand mit den eingelagerten kleinen Heideflächen und Beentgrasfeldern verwischt diese Unterschiede. Seit 1990 ist die Restfläche Naturschutzgebiet. Zusammen mit einigen östlich und nördlich angrenzenden und auf Hochmoor liegenden Weiden ist der geschützte Bereich ca. 105 ha groß.

Erstmalig erwähnt wird das Eversten Moor in dem Vertrag zwischen der Familie von Eversen und der Stadt Oldenburg vom 29.01.1375 über den Verkauf der Haarenmühle an die Stadt Oldenburg. Hier wird neben der Mühle u. a. auch das dazugehörende mor an die Stadt verkauft. Hierbei wird es sich wohl nur um eine kleine Fläche gehandelt haben, die die Ritterfamilie schon nutzen konnte. Um 1428 hatte die Herrschaft bei den torfmor to Everse allein das Sagen. Zu dieser Zeit hatte die Familie von Eversen längst ihre ursprünglich starke Stellung gegenüber den Herrschenden verloren.

Eine „geordnete" Nutzung auch des Eversten Moores gibt es etwa seit 1600. Die Ordnung bestand jedoch vorwiegend darin, daß alle Moorbenutzer im Moorregister erfaßt waren und den Zehnten (die Entschädigung) an die Herrschaft zu zahlen hatten. Die meisten der 200 Torfmoorbesitzer kamen zu dieser Zeit aus der Stadt. Schon früh war das Eversten Moor in Distrikte ein geteilt. Dabei tauchen Namen auf, die uns auch heute noch vertraut sind. Dazu zählen u.a. Über der Marsch, Nach der Hausbäke, Nach dem Wildenlohe, Nach dem Staken (Staakenweg), Achter Otzen Kampe (Osterkampsweg), Über die Wulfs-Brücke (Edewechter Landstraße und Wolfsbrücker Weg) und Alkes Mohr (Ahlkenweg).

Die Torfgräberei begann zunächst an den Rändern des in den letzten 8000 Jahren entstandenen Eversten Moores. Der größte Teil des vorwiegend aus Pflanzen und Wasser bestehenden Moores war wegen der fehlenden Entwässerung lange Zeit nicht begehbar. Lediglich im Winter bei starkem Frost wagten sich schon um 1600 trotz der hier herumstrolchenden Wölfe Einwohner aus Edewecht über das zugefrorene Moor und erreichten dann am Wildenloh vorbei nach langem Fußmarsch das Eversten Tor.

Das Torfgraben war zu allen Zeiten eine kaum zu beschreibende Schinderei. Hinzu kamen die schlechten Wegeverhältnisse. Schon beim Verlassen der Stadttore begannen die Schwierigkeiten mit den oft unpassierbaren Wegen im Gebiet Vor dem Eversten Tor, dazu gehörte über lange Zeit auch die heutige Gartenstraße, der ehemalige Privatweg der Familie von Eversen. Zum anderen wurden die Wege erst bei der weiteren Nutzung des Moores angelegt, denn außer den Torfwagen gab es hier ja keinen Verkehr. Seit etwa 1600 und dann über lange Zeit waren die drei Moorstraßen (heute Blücher-, Zieten- und Gneisenaustraße)die wichtigsten Verbindungen zum und vom Eversten Moor. Von hier aus führte der weitere Weg über den heutigen Rummelweg und die Ofener Straße zum Haarentor, da lange Zeit nur dieses Tor für Torfwagen geöffnet wurde. Auch wenn es heute keine Torfwagen mehr gibt, ist besonders die Blücherstraße, die schon 1904 diesen Namen trug, bis heute eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Prinzessinweg und Eichenstraße geblieben.

Die ersten Siedler in Eversten kamen um 1700. Zu dieser Zeit waren die wesentlich besseren Böden längst an finanzkräftige Städter verkauft, die sie meistens als Weideflächen nutzten. Für neue Familien blieb nur die im Westen liegende unwegsame, nasse, unkultivierte und damit unfruchtbare Moorlandschaft mit einigen eingelagerten sandigen Erhebungen. Schon diese ungünstigsten Voraussetzungen waren mehr Fluch als Segen für die Menschen, auch wenn sie vielfach aus dem niedrigsten Stand kamen, an Abhärtung und Entbehrung gewöhnt. Auf Dauer aber reichten auch bei größtem Fleiß diese Eigenschaften für eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse nicht aus. Zuerst wurden die Menschen auf den Flächen westlich der heutigen Autobahn ansässig; denn eine Errichtung von Wohnhäusern zwischen der Stadtmauer und dem Eversten Holz und Prinzessinweg war in der Stadtrechtsurkunde von 1345 ausdrücklich verboten. Dagegen war die gärtnerische Nutzung erlaubt. Sie ist schon um 1600 an der Wienstraße und anderen Flächen beim Eversten Holz nachgewiesen. Erst nach 1800 wagten sich zaghaft die ersten Siedler in das „verbotene" Gebiet, insbesondere zu beiden Seiten der Hauptstraße. Eine regere Bautätigkeit begann hier aber erst um 1900.

Die Besiedlung von Eversten trug auch dazu bei, daß insbesondere die Stadtbevölkerung mehr und mehr das mit schwersten körperlichen Anstrengungen verbundene Torfgraben aufgab. Da die meisten Familien kein eigenes Fuhrwerk besaßen, war man für die Torfeinfuhr auch noch auf fremde Hilfe angewiesen. Allein für das Fahren hatte man pro Wagen 12 Groten (Tagesverdienst eines Arbeiters) Fuhrlohn zu zahlen. Viele Familien haben dann ihr Torfmoor aufgegeben und ließen sich den Torf frei Haus liefern. Das war für die Siedler in Eversten wiederum ein Segen, konnten sie doch durch diese Gelegenheit ihre ohnehin kargen Einkünfte ein wenig aufbessern. Sie übernahmen nicht nur das Fahren des gegrabenen Torfs, sondern gruben auch oft mehr als erlaubt und verkauften den Torf dann in der Stadt. Dennoch haben auch diese Aktivitäten die große Verarmung der zum Teil an ein armseliges und elendes Leben gewöhnten Siedler nicht aufhalten können. 1818 waren in Eversten alle Hausbesitzer, bis auf zwei, hoch verschuldet. Nicht selten deckten das vorhandene Haus- und Grundvermögen die Schulden nicht ab. Für die immer mehr zunehmende Verarmung vieler Familien in Eversten war das eine Schraube ohne Ende. Viele Eigentümer mußten aufgeben. Diese Entwicklung änderte sich auch im Laufe des Jahrhunderts nur unwesentlich.

Im Eversten Moor wurde fast nur von Hand Torf gegraben. Nur einmal um 1920 wurde im südwestlichen Zipfel des Eversten Moores mit einer größeren Maschine (Torfbagger) Torf gebaggert. Die Fläche ist heute noch gut erkennbar, da sich der hier auf dem festen Untergrund angesiedelte Baumbestand von den vorherrschenden und auf moorigem Boden wachsenden Birken abhebt. Bis zum Beginn des letzten Krieges nahm die private Torfgewinnung rapide ab. Dennoch gab es nach dem letzten Krieg auch im Eversten Moor noch einmal „Hochkonjunktur". Feuerungsmaterial gab es plötzlich nicht mehr zu kaufen. Es begann wieder die Selbstversorgung. Es war ein bedauernswertes Bild, das sich in den ersten Nachkriegssommern im Eversten Moor bot. Die im Torfgraben völlig ungeübten Städter versuchten mit den unmöglichsten Geräten und Techniken ihren Torf zu graben. Doch auch dieser „Spuk" war nach der Währungsreform schnell wieder vorbei. Torf, Holz und Kohle waren wieder reichlich auf dem Markt.

Aus heutiger Sicht ist die „raubbaumäßige" Nutzung des Moores und damit Vernichtung einer einmaligen Naturlandschaft kaum zu erklären. Wir sollten jedoch nicht vergessen, daß das Moor auch entscheidend dazu beigetragen hat, das entbehrungsreiche Leben der ersten Siedlergenerationen in Eversten über Jahrhunderte erträglicher zu gestalten.

Ebenso hat es vielen Familien in den ersten Nachkriegsjahren geholfen, ihre dünne Suppe kochen und im Winter zumindest einen Raum ihrer Wohnung erwärmen zu können. Wir sollten daher mit Kritik am Verhalten unserer Vorfahren behutsam umgehen, denn auch wir sind heute nicht in der Lage, für die kaum kalkulierbare Zukunft immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zu schnell können regionale, aber auch weltweite Ereignisse auftreten, die Entscheidungen verlangen, für die die nachkommenden Generationen wenig Verständnis aufbringen können.

Im Eversten Moor wird seit vielen Jahren versucht, die übrig gebliebenen Flächen durch eine verstärkte Vernässung und andere Maßnahmen zu regenerieren. Es soll wieder Moor entstehen. Von den im Restmoor angelegten Wegen wird dieser langwierige Prozeß beobachtet werden können. Doch viele Generationen werden auf ihren Wanderungen warten müssen, ob das von Menschenhand geplante Vorhaben gelingt, wozu die Natur Jahrtausende benötigte.

Quelle:

Georg Bredehorn "Eversten von 1200 bis ins 20. Jahrhundert", Verlag Isensee, Oldenburg, H. G. Zemke "Eversten an der Schwelle zum Jahr 2000" (Verlag Knoth, Melle), ISBN 3-88368-310-8, Seite 36-39.