geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Die Anfänge Everstens und die Stiftung der ersten Schule in Eversten vor 250 Jahren (1996)


Friedrich Wilhelm Schaer

Die Anfänge Everstens und die Stiftung der ersten Schule in Eversten vor 250 Jahren (1996)
Es gibt ein wichtiges Kriterium, um die Entstehungszeit einer oldenburgischen Bauerschaft als einer geschlossenen bäuerlichen Gemeinschaft abschätzen zu können. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um die Herausbildung ihrer rechtlichen Gestalt als Bauerschaft. Dies möge an zwei Beispielen verdeutlicht werden.

Seit 1593 läßt sich in Ofen eine Schule für die drei Bauerschaften Ofen, Wechloy und Wehnen nachweisen. Als eine der ältesten Siedlungseinheiten auf den Geestinseln rund um Oldenburg präsentierten sich die drei Orte schon Ende des 16. Jahrhunderts als geschlossene Bauerschaften, die zusammen eine gemeinsame Schule gründen konnten. Eversten ist das Gegenbeispiel:

Zu einer Zeit, als im Nordwesten und Nordosten längst Bauerschaften und - im Gleichklang damit - auch Dorfschulen entstanden waren, fing eine zwischen den Niederungen vor der Stadt Oldenburg und ausgedehnten Hochmooren im Westen gelegene Streusiedlung erst gerade damit an, sich als eigene Bauerschaft zu konstituieren: Eversten. Den Beginn dieser Konsolidierungsphase kann man in dem am 22. November 1735 ausgestellten Bauerbrief erkennen, eigentlich eine Begräbnisordnung für die Einwohner des sich entwickelnden Dorfes Eversten. Dieser Bauerbrief ist vermutlich unter dem Druck der geistlichen Obrigkeit, dem Konsistorium, entstanden. Nur zehn Jahre später, 1745, tat Eversten einen zweiten wichtigen Schritt auf dem Weg zur Konstituierung einer eigenen Bauerschaft. Man begann, die Einrichtung einer ersten eigenen Schule zu planen. Sehr wahrscheinlich geht diese Initiative von 1745 ebenso auf eine amtliche Aufforderung zurück wie dies für 1735 anzunehmen ist. Generalsuperintendent und Konsitorium in Oldenburg werden wohl die Kleinbauern und Arbeiter in Eversten - trotz ihrer vermutlich sehr bescheidenen Lebensverhältnisse - ermuntert haben, etwas Gutes für ihre Jugend zu tun. Wie nötig der Unterricht in Lesen und Schreiben in Eversten damals war, mag man aus dem Bauerbrief von 1735 ersehen: Mehr als ein Drittel der geladenen Hausväter waren nicht imstande, die Abmachung mit der Namensunterschrift zu bekräftigen.

Mit der dänischen Landschulordnung von 1706 war für die seinerzeit dänische Grafschaft Oldenburg die rechtliche Grundlage gegeben, um mit einem möglichst dichten Netz von Schulen die dort geforderte Schulpflicht überall durchsetzen zu können. Eversten stand damals vermutlich unter dem gleichen Druck wie die benachbarte Bauerschaft Donnerschwee. Denn es ist gewiß kein Zufall, daß hier 1746 auch eine neue Dorfschule errichtet wurde.

Für die Schulgründung im Dorf Eversten gibt es ein eindrucksvolles Dokument, das heute im Staatsarchiv Oldenburg verwahrt wird: Am 1. Dezember 1745 bevollmächtigte das Konsistorium zwei Geschworene für die in Eversten geplante Schule Spenden zu sammeln. In einem in Schweinsleder gebundenen Büchlein im Oktavformat sollte jede Opfergabe von den Gebern selbst eingetragen werden. In dem 120 Seiten umfassenden Heft findet man etwa 470 Eintragungen.

Es lohnt sich, diese Eintragungen etwas genauer zu studieren. Spendenbüchlein dieser Art bildeten keine Oldenburger Besonderheit, sondern sind auch aus anderen Gegenden bekannt. Im Spendenbüchlein von Eversten stehen vorne an Leute aus den Spitzen der Oldenburger Gesellschaft von 1745/ 46: Etwa der Generalleutnant von Bardenfleth, Johann Christoph Gude, der Leiter des Oldenburger Konsistoriums und andere höhere Beamte der dänischen Zentralbehörden in Oldenburg. Der Respekt gegenüber diesen „Oberen" gebot es, daß die Reihe der Geber aus der Bürgerschaft, der Stadt und dem umliegenden Land erst nach einem Abstand von einer Seite begann. Anscheinend setzte sich die Schar der Spender aus allen Bevölkerungsschichten zusammen, aus mittleren Beamten, Kaufleuten und Handwerkern ebenso wie aus einigen Arbeitern und Soldaten. Die wenigen mit Namen genannten Frauen in der Spendenliste waren oft Witwen, die auf diese Weise ihr großes Interesse an einer christlichen Erziehung der heranwachsenden Jugend bezeugten. Sicherlich spielte auch das Motiv der sogenannten Sozialdisziplinierung eine große Rolle, wonach die vollständige Integration der jungen Leute in die Gesellschaft der Erwachsenen angestrebt wurde.

Die wahrscheinlich nicht unvermögende Witwe des Sekretärs Baumann aus der Bergstraße stiftete 50 RT., die Ehefrau des Generalsuperintendenten Büssing sogar 100 RT. Dem obersten Oldenburger Kirchen- und Schulbeamten mußte sehr viel an der Schule in Eversten gelegen haben. Aus einem anderen Grund waren einige Oldenburger Handwerker und Kaufleute bereit, den beabsichtigten Schulbau durch Spenden finanziell zu unterstützen. Erhofften sie sich doch, in den Genuß größerer Aufträge für Tischler- und Maurerarbeiten zu gelangen und die geplante Schule selbst mit bauen zu können. In der Tat findet man in der Schulbauabschlußrechnung vom 3. April 1748 einige Spendernamen unter den beteiligten Bau- und Geschäftsleuten wieder.

Ein großer Teil der etwa 470 Sponsoren wollte aber gar nicht genannt werden, vielleicht, weil die jeweiligen Gaben oft bescheiden ausgefallen waren. So stößt man häufig auf die Chiffre „Ein Freund gibt ..." oder „Eine Freundin gibt...".

Insgesamt 39 Tage wanderten die beiden beauftragten Spendensammler durch die Stadt Oldenburg und die gleichnamige Grafschaft. Ihre Aufenthalte in Varel, Bockhorn, Kayhausen, Edewecht, Stuhr und Ovelgönne sind anhand dieses Büchleins nachweisbar. Ob sich ihre strapaziösen und wohl auch entbehrungsreichen Wanderungen am Ende gelohnt haben? Einschließlich der genannten größeren Beträge wurden über 208 Rt. gestiftet. Die Ausgaben für den ersten Schulbau in Eversten beliefen sich dagegen auf mehr als 232 Rt. Hier waren auch die Kosten der Schulgeschworenen für die vier Baubesichtigungsfahrten des Generalsuperintendanten verbucht worden. Um die Forderungen der Handwerker und Kaufleute befriedigen zu können, mußten die armen Hausväter schließlich zu einer Umlage verpflichtet werden. Außerdem wurden die Tagegelder der beiden fleißigen Sammler von 22 auf 18 Grote herabgesetzt. Lohnabstriche waren schon 1746 bei Geldknappheit unumgänglich.

Die erste Schule in Eversten - ein schlichtes Fachwerkhaus mit Schulstube, Lehrerwohnung und Stall unter einem Dach - konnte jedenfalls 1746 von Lehrern und Schülern bezogen werden. Eversten war jetzt durch das Schulhaus endlich ein richtiges Dorf geworden.


Marktplatz Eversten

Quelle:

Hans-Günther Zemke, "Eversten an der Schwelle zum Jahr 2000", Verlag Knoth, Melle (ISBN 3-88368-310-8), Seite 40-42.