geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Eversten - 75 Jahre Stadtteil von Oldenburg -


Dr. Jürgen Poeschel

Eversten - 75 Jahre Stadtteil von Oldenburg - Ansprache von Oberbürgermeister Dr. Jürgen Poeschel im Forum der Hermann-Ehlers-Schule am 08.09.1999
Es ist mir eine Schlagzeile vor Augen, die verkündete, dass das weithin altbekannte Restaurant und Hotel „Schützenhof Eversten" in Zukunft „Stadthotel Oldenburg" heißen soll. Es ist dies wohl Teil einer durchdachten Marketingstrategie, aber sicherlich werden viele hier das als Verlust bedauern. Denn der Vorgang scheint darauf hinzuweisen, dass es eine Tendenz zum Verlust der Identität von Eversten gibt, und das „großmächtige" Oldenburg alles schluckt und gleichmacht Und sicher gibt es solche Tendenzen. Aber zugleich, glaube ich, tauscht der Eindruck, wenn man daraus die bestimmende Hauptströmung ablesen wollte. Denn keine Großstadt ist ein homogener Block, mit nur einem Gesicht. Immer gibt es „Viertel" (von denenja oft mehr als vier auf ein Ganzes gehen), diejeweils ihren ganz besonderen Charakter haben. Das gilt sogar für Stadtteile, die erst neu und sozusagen auf dem Reißbrett entstanden sind. Um so mehr gilt es für Stadtteile, die gewachsen sind und hinter denen eine eigene lange Geschichte steht. Auf Eversten, dasja von der Struktur und seinen Angeboten her auch heute noch eine kleine Stadt für sich ist, trifft das in besonderem Maße zu, Es ist offensichtlich das Bild der ursprünglichen Dorfgemeinschaft, das dahinter steht und das fest in der Natur des Menschen verankert scheint. Dementsprechend schafft er sich überschaubare Räume, in denen er sich sozial und kulturell heimisch fühlt; in denen man sich kennt.

Dabei ist eine solche Gemeinschaft keineswegs gegen andere, gleiche Gemeinschaften gerichtet Sie stehen vielmehr nebeneinander, tauschen sich aus und bilden miteinander einen Verbund. Die kreative Vielfalt solcher Verbände, ihr Ideenreichtum und ihre Individualitäten machen das Bild einer lebendigen Großstadt aus. Und wer in einer Großstadt politisch oder in der Verwaltung Verantwortung trägt, sollte sich dessen stets sehr bewusst sein. Nur wenn den Stadtteilen ihre Identität, ihre Eigenart und Persönlichkeit belassen wird, können, die Bürgerinnen und Bürger diesen wichtigen Aspekt der Lebensqualität erfahren. Dann wird letztlich auch die Stadt selbst mehr sein als nur die Summe ihrer Teile. Ich denke, in Oldenburg ist das schon traditionell immer gut gelöst worden. Die Bürgervereine sind aktiv, und sie werden gehört. Man sagt nicht ohne Stolz „Wir in Eversten, wir in Wechloy, wir in Kreyenbrück, wir in Osternburg". Aber: Man sagt übereinstimmend auch „Wir in Oldenburg!", Dieses Selbstverständnis, diese starke Identifikation mit dem Stadtteil und der Stadt wird meines Erachtens auch dann ungebrochen bleiben, wenn in Zukunft die Verflechtungen mit der Region und die Einbindung in Europa noch zunehmen werden. Im Gegenteil, mit der Europäisierung und Globalisierung eines großen Teils unseres Lebens wird unsere unmittelbare Umgebung als Gegenpol eher noch an Bedeutung gewinnen; und in Oldenburg im allgemeinen, in Eversten im besonderen, ist man in dieser Hinsicht sicher sehr gut aufgehoben. Als Oberbürgermeister muss man sich natürlich vorsehen, einen Stadtteil zu bevorzugen oder mehr zu rühmen als andere. Jeder hat seinen eigenen Charakter und Reiz. Allerdings will ich nicht verschweigen, dass es mit Eversten doch seine ganz besondere Bewandtnis hat. Das geht schon zu der Zeit los, als die Sagen und Legenden entstanden. Zum Beispiel mit den Hexen von Eversten, von denen eine - in der Gestalt einer Katze - einen Mann so gewürgt haben soll, dass er sich nur mühsam auf den damaligen Friedhof an der Lambertikirche retten konnte. Oder mit dem Junker von der Bodenburg, der als edler Erblasser schon den Grundgedanken des heutigen Altenheims dort vorwegnahm. Viel später dann machte Eversten Furore, als die Oldenburger Bürger, aber auch viele Auswärtige am Ende des 18. Jahrhunderts ihre Sommerpromenade ins Everstenholz verlegten. Es gab eine regelrechte Kursaison mit Kurlisten, Kurmusik, Brunnenliedern und dem Ausschank von Pyrrnonter Brunnen. Bei soviel Gesundheitsbewusstsein ist es natürlich kein Wunder, dass man in Eversten auch ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelte und keineswegs auf eine Eingemeindung erpicht war. Als die Stadt Oldenburg 1911 einen entsprechenden Vorstoß unternahm, erhielt sie eine klare Abfuhr. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung heißt es kurz und knapp: "...wurde beschlossen, zu der Zuschrift des Stadtmagistrats keine Stellung zu nehmen und somit die ganze Angelegenheit einstimmig abgelehnt." Erst 1923 verhandelt man erfolgreich über eine Eingemeindung Everstens in die Stadt Oldenburg. Ein Bild von damals und von den Problemen, die gelöst werden mussten, vermittelt uns zum Teil schon der Vertrag zwischen der Stadtgemeinde Oldenburg und der Landgemeinde Eversten. In Paragraph 9 wird festgelegt, dass die Stadt Oldenburg innerhalb eines Jahres „aus einer im Ort Eversten belegenen Volksschule eine Mittelschule einrichten" soll. Weiter heißt es da: „Bis zu einem Zeitraum von drei Jahren nach Stabilisierung der Mark durch die Reichsbank wird die Stadtgemeinde Oldenburg die Hundsmühler Chaussee (360 Meter), die Heinrichstraße, die Hauptstraße bis Kirchhof, die Eichenstraße, die Bloherfelder Chaussee (1.190 Meter), den Prinzessinweg mit einem Wasserleitungsnetz versehen..

Ferner wird die Stadtgemeinde Oldenburg ... die Straßenbeleuchtung in der Heinrichstraße und Eichenstraße schaffen, eine Fahrstraße nach Osternburg über die obere Hunte bis dahin bauen, und endlich die Kanalisation im städtisch bebauten Teile Eversten fördern." Sie sehen, es waren nicht eben kleine Probleme, vor denen man stand - auch angesichts der wirtschaftlichen Situation, denn es herrschte Inflation, und die Erinnerung daran sollte unsere Maßstabe etwas zurechtrücken und manche gegenwärtige Auseinandersetzung relativieren. Oldenburg, das 1924 etwa 53.000 Einwohner hatte, gewann mit Eversten rund 2.400 Hektar hinzu. Wie in den anderen Stadtteilen ging auch hier der Ausbau der Elektrizität, Kanalisation usw. denjeweiligen Zeitumständen entsprechend voran. Eine große Herausforderung brachte nach dem Zweiten Weltkrieg der Zustrom von mehr als 40.000 Vertriebenen und Flüchtlingen. Das fast unzerstörte Oldenburg wuchs in kürzester Zeit zur Großstadt. An der Lösung dieser großen Aufgabe hatte der Stadtwesten einen erheblichen Anteil. Es entstanden großflächige, durchgrünte Siedlungen, zunächst zum Beispiel in den Bereichen Bodenburg und Thomasburg, Mitte der 60er dann das Demonstrativ- Bauvorhaben Kennedy-Viertel mit insgesamt 636 Wohnungen. Auch aktuell, an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend, liegen Schwerpunkte des neuen Flächennutzungsplanes im Stadtwesten, So sind südlich der Edewechter Landstraße neue gewerbliche Bauflächen vorgesehen, und die größte Wohnbauflache des Flächennutzungsplanes liegt zwischen Osterkampsweg und Edewechter Landstraße. Hier sollen auf über 50 Hektar rund 800 Wohnungen für etwa 2.000 Neu-Everster entstehen. Nach dem städtebaulichen Konzept für das Quartier „Eversten-West" soll nördlich der Edewechter Landstraße die gemischte Struktur aus Läden, nicht störendem Gewerbe und Dienstleistungen weiter entwickelt werden. Dem schließen sich dann kleinteilig strukturierte Wohngebiete und dahinter ein großzügiger Grünbereich an. Auch an anderen Beispielen, wie dem Neubau der Hermann-Ehlers-Schule, der Sonderschule und der Sporthalle für die Helene-Lange-Schule, ist abzulesen, dass die Stadt intensiv in die hochwertige Infrastruktur des Stadtwestens investierte, Das gilt natürlich auch für die städtebauliche Aufwertung des Bereichs Hauptstraße in naher Zukunft, Dazu wird es eine Bürgerversammlung geben, und alle Beteiligten werden frühzeitig Gelegenheit finden, ihre Fragen und Überlegungen einzubringen. Ich weiß, dass wir dabei auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Eversten rechnen können. Denn die sind bekannt dafür, was sich nicht zuletzt auch in einem regen Vereinsleben, in Kultur und Sport zeigt. Bei allen städtebaulichen Maßnahmen sind es letztlich doch die Menschen selbst die den Charakter ihres Stadtteils prägen. Und wenn man erlebt, wie beliebt Eversten als Wohnort, bei Gewerbe und Dienstleistung ist, dann darf man sich als Stadt Oldenburg glücklich schätzen, dass man sich vor 75 Jahren auf die Eingemeindung einigen konnte.

Quelle:

Hans-Günther Zemke (Hg), "Eversten - Oldenburger Ansichten", Verlag Isensee, Oldenburg. ISBN 3-89995-197-2. Dr. Jürgen Poeschel