geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Die Landwirtschaft in Eversten


Karl Wieting

Die Landwirtschaft in Eversten
Die Vogteikarte von Oldenburg und Umgebung um 1790 vermittelt uns ein recht anschauliches Bild von den Bodenverhältnissen. Der bäuerliche Siedlungsraum liegt auf dem Heidegebiet zwischen den feuchten Niederungsgebieten von Hunte und Haaren und dem Hochmoor. Wann dieses Gebiet besiedelt wurde, steht urkundlich nicht fest. Hausmannsstellen gibt es in diesem Räume nicht. Er wurde nach und nach unter Kultur genommen. Das Steuerregister der Hausvogtei Oldenburg von 1734 verzeichnet vor dem Eversten Tor Köter mit Größe der Besitze, die zwischen 2 und 113 Scheffelsaat (0,17 und 9,6 ha) schwanken. Über 5 ha sind nur 2 Besitze angegeben, zwischen 3 und 5 ha 5, zwischen 1 und 3 ha, 16 und unter 1 ha 11 Besitze. Pachtländereien sind nicht erwähnt.

Das Tagewerk der Köter und Brinksitzer war schwer. Die Besitze waren klein, die Erträge der kultivierten Heideflächen gering. Düngung war erforderlich, bedingte Viehhaltung. Heide wurde gemäht zu Futter und Streu, Moorplaggen gestochen, zum Einstreu verwendet und ergaben mit Dünger durchsetzte Plaggenhaufen. Auf die Dauer brachte die Plaggendüngung keine Verbesserung des Bodens. Daher wurden Fäkalien aus der Stadt abgefahren und auf die Ländereien gebracht. Trotz allem war es schwer die Besitze zu halten. In den Registern wird häufig Eigentumswechsel vermerkt.

Es waren reine Familienbetriebe, kinderreich, denn Kinder waren notwendige Arbeitskräfte. Angebaut wurden im Fruchtwechsel, auch über Brache, die dann als Weide genutzt wurde: Roggen und Hafer, Kartoffeln, Rüben und Kohl. Torf wurde gegraben für Eigenbedarf und Verkauf in der Stadt. Dorthin kamen auch Milch, Butter und Gemüse, Erzeugnisse, die oft von den Kindern morgens vor dem Unterricht zu den Kunden in die Stadt gebracht werden mußten.

Zunehmende Kultivierung, Vergrößerung der Besitze mit zunehmendem Viehbestand und die einsetzende Verwendung von Kunstdünger brachten im Laufe der Zeit höhere Ernteerträge. Um 1895 war die Plaggendüngung verschwunden.

1897 wurde die Landgemeinde Oldenburg aufgeteilt in die Gemeinden Eversten und Ohmstede. Da die Gemeinde Eversten wegen der vergleichsweise geringen Größe der bäuerlichen Besitze und der großen Zahl der ansässigen Arbeiter sehr arm war und nur ein geringes Steueraufkommen hatte - die Landgemeinde Oldenburg hatte 1863 schon vergeblich versucht, Eversten aus der Gemeinde zu entfernen —, wurde der wohlhabenden Gemeinde Ohmstede auferlegt, der Neugründung durch finanzielle Unterstützung eine Existenzgrundlage zu verschaffen.

Der neu gewählte Gemeinderat setzte ailes daran, die junge Institution lebensfähig zu machen und fand dazu die Mitarbeit der Gemeinde. Äußeres Zeichen dafür war die Gründung von zweckgebundenen Genossenschaften. So wurde am 12. Januar 1902 die Molkerei-Genossenschaft Oldenburg-Eversten als Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht gegründet und das vorgelegte Statut von 87 Genossen unterzeichnet. Im Vorstand saßen Bauern aus Wechloy, Bloherfelde und Ofen, im Aufsichtsrat war je ein Vertreter aus den einzelnen Ortsteilen (Wehnen, Ofen, Wechloy, Bloherfelde, Petersfehn und Eversten). Das Statut besagt: Gegenstand des Unternehmens ist die Milchverwertung auf gemeinschaftliche Rechnung und Gefahr, insbesondere die Versorgung der Stadt Oldenburg mit Milch und Molkereiprodukten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich das Unternehmen stetig, besonders, nachdem 1934 den Bauern verboten wurde, Milch direkt an Kunden zu liefern.

Wohl beruhend auf den Erfahrungen früherer Zeiten, als finanzstarke Kaufleute aus der Stadt viel Grund und Boden an sich gebracht hatten, wurde am 14. April 1903 die Spar- und Darlehnskasse Eversten als eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht gegründet, ein Merkmal der Eigenständigkeit der Gemeinde. Am 20. April betrug die Anzahl der Genossen 43. Im ersten Vorstand saßen der Gemeindevorsteher B. Schwarting als Direktor, der Lehrer z. D- Oldewage als Rendant und der Eisenbahn-Billettdrucker Meyer als Beisitzer. Der Aufsichtsrat bestand aus dem Pastoren als Präsidenten, einem Rechnungssteller, dem Hauptlehrer, einem Kaufmann und einem Bauern. Die Spar- und Darlehnskasse bildete einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor im Leben der Gemeinde und hat sich als solcher bis in die heutige Zeit nach mehreren Namensänderungen als Raiffeisenbank Oldenburg e.G. stetig fortentwickelt.

Als dritte Genossenschaft wurde am 8. Dezember 1903 die Abfuhrgesellschaft Eversten eGmbH gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die Abfuhr von Müll, Asche, sonstiger Hausabfälle und Sperrgut sowie Fäkalien der Stadt Oldenburg. Damit wurde die Fäkalienabfuhr einzelner Bauern, die bereits 40 Jahre vorher erwähnt wird, für die Bauerschaften der Gemeinde generell geregelt. Die Kübelwagen auf den Straßen der Stadt und der Kübelschuppen am Hausbäker Weg sind wohl noch vielen Einheimischen in Erinnerung. Im 1. Vorstand der Gesellschaft waren drei Bauern, zwei aus Eversten, einer aus Bloherfelde, im Aufsichtsrat der Gemeindevorsteher und vier Bauern aus Eversten.

Verkauf der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Ankauf von Kunstdünger und Saatgut erforderten kaufmännische Kenntnisse. So gründete man am 30. Oktober 1910 (18. Dezember 1910) die Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft in Eversten GmbH. Vorstand und Aufsichtsrat waren besetzt mit Bauern aus Eversten. Ende 1918 sind 92 Genossen vermerkt. Beteiligt sind auch die Landwirtschaftliche Zentralgenossenschaft in Oldenburg und die Spar- und Darlehnskasse Eversten. Diese Genossenschaft war und blieb das Rückgrat der Landwirtschaft auch in Krisenzeiten der Wirtschaft. (Jahresumsatz im Inflationsjahr 1923: 943 537 922 459 710 Mark.)

Mit diesen Genossenschaften gewissermaßen als Rückendeckung konnte sich auch in Eversten langsam ein Strukturwandel in der Landwirtschaft durchsetzen. Zur Menge der erzeugten Waren kam die Güte. Das betraf zunächst die Milchleistung nach Menge und Fettgehalt, dann das Zuchtvieh. Dauernde Schulung der Jungbauern war erforderlich und wurde von der 1900 gegründeten Landwirtschaftskammer in Winterschulen durchgeführt. Aus der Schweinezucht wurden beim Ferkelverkauf gute Einnahmen erzielt.

In bescheidenem Maße hielt auch die Technik ihren Einzug. Nur größere Betriebe konnten es sich zunächst leisten, eine Mähmaschine zu kaufen. Bei den kleineren wurde noch viele Jahre das Gras mit der Sense gemäht. Das Tagewerk begann dann morgens um 3 oder 1/24 Uhr. Heute schafft ein moderner Mäher das Tagewerk eines Mannes in einer halben Stunde. War früher mit Flegeln gedroschen worden, so kamen Dreschmaschinen in Gebrauch, die über einen Göpel von Pferden angetreiben wurden. 1908 kaufte der Schmied Kleen aus Bloherfelde seine erste Lohndreschmaschine, die von einem Benzinmotor angetrieben und von Pferden gezogen wurde. Noch nach dem 1. Weltkrieg sah man sie auf den Straßen, Nach dem 2. Weltkrieg mußte auch das Pferd mehr und mehr dem Schlepper weichen und konnte sich weiterhin nur noch im Reitsport behaupten.

Bedingt durch die Industrialisierung in der Wirtschaft setzte vor etwa 20 Jahren mit dem wachsenden Mangel an Arbeitskräften die völlige Technisierung der Landwirtschaft ein, damit der Schritt vom Familienbetrieb zum Ein- bzw. Zweimannbetrieb. Das überkommene Bild des Bauern ist verschwunden. Um bestehen zu können, muß er gleichzeitig Kaufmann sein, beweglich, sich der jeweiligen Marktlage und ihren Erfordernissen anpassen. Als berufsständische Organisation, die ihre Interessen vertritt, gründeten sie daher 1948 den Ortslandvolkverband Eversten.

Das Bild der alten Bauerschaft Eversten hat sich dabei seit Ende des 2. Weltkrieges grundlegend verändert. Lag damals die Grenze des bäuerlichen Siedlungsraumes zur Stadt hin noch etwa an der Linie Prinzessinweg - Hunds-mühler Straße - Sodenstich, so liegt sie heute, von einigen Ausnahmen abgesehen, bedingt durch das Wachstum der Stadt, weit draußen zur Stadtgrenze hin. Viele Landwirte haben ihren Hof aufgegeben oder verkauft und sich in anderen Gemeinden wieder angekauft. Andere haben ihren Betrieb verpachtet und sich eine Erwerbsquelle in der Stadt gesucht. Ein nicht voraussehbarer Wandel seit der Eingemeindung vor 50 Jahren.

Quelle:

Bürgerverein Eversten, "50 Jahre Eversten", Oldenburg. Karl Wieting