geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Das Eversten Holz - Ein uraltes Waldgebiet


Aenne Schrape

Wo vor Zeiten das Borstenvieh nach Eicheln wühlte
Sicher erinnern Sie sich daran: Fassungslos standen viele Oldenburger am Morgen des 7. Juni 1998 am Rande des Eversten Holzes. Der verheerende Gewittersturm am Abend vorher hatte gewaltig gewütet und innerhalb von zehn Minuten dicke Buchen und uralte Eichen wie Streichhölzer umgeknickt. Über 142 Bäume waren umgefallen oder so schwer beschädigt, daß sie nicht mehr zu retten waren. Ein Bild trostloser Verwüstung!



Seit langem sind nun die Wege von den umgestürzten Bäumen geräumt. Angebrochene Äste wurden abgesägt und Strauchwerk beiseite geschafft. Wie eh und je verlockt das Eversten Holz zum geruhsamen Spazierengehen. Die verschlungenen Waldwege sind bei vielen Radfahrern und auch bei den Joggern sehr beliebt. Auf dem schön angelegten Spielplatzhügel nahe der Pferdeschwemme rutschen, klettern und schaukeln die Kinder.

Das Eversten Holz ist vermutlich das älteste Waldgebiet am Rande Oldenburgs. Vor mehr als siebenhundert Jahren wird es bereits urkundlich erwähnt. Ideale Voraussetzungen für das Gedeihen der verschiedensten Laub- und Nadelhölzer bot der Geestrücken, der nicht nur höher als die damaligen sumpfigen Niederungen ringsum lag, sondern auch ein Gemisch von Sand und Lehm vorwies. Im Mittelalter und noch lange Zeit danach war das Eversten Holz ein Buschwald, ein „Hundewald", in dem die Kühe der Köter - das waren die kleinen Bauern - gehütet wurden. Die Schweine trieb man in den Wald und ließ sie nach Bucheckern und Eicheln wühlen. Noch im Jahr 1705 sollen in dem „Ekenholt" mehr als zwanzig Schweine gemästet worden sein. Zur Regierungszeit Graf Anton Günthers wurde der stadtnahe Teil des Gehölzes etwa in Höhe der heutigen Meinardus Straße zu einem gepflegten „Herrengarten" umgestaltet. Hier vergnügten sich an schönen Sommertagen die Damen und Herren des gräflichen Hofes, promenierten zwischen Wappenbeeten und Standbildern und feierten Jagdpartien. Auf einer alten Karte aus der Zeit Anton Günthers ist die Anlage dieses Gartens gut zu erkennen. Nach dem Tode des Grafen verfiel der Herrengarten mehr und mehr. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte rodete man die Bäume und schüttete den großen Overbeckschen Teich zu. Oldenburger Bürger ließen in dem Gebiet herrschaftliche Wohnhäuser bauen.


Gut gelegene und ausgestattete Kinderspielplätze sind in Eversten reichlich zu finden.

Aus dem übrigen noch recht großen Buschwald-Jagdrevier der Grafen wurde während der Regierungszeit Herzog Friedrich Augusts ( 1711-1785) ein Lustgarten anderer Art. Von einem Rondell ausgehend, wurden acht Alleen angelegt, die radförmig durch schmale Wege miteinander verbunden waren. Die Grundzüge dieser Anlage sind auch heute noch schwach zu erkennen. Forstmeister Ahlers ließ Fichten, Weißtannen und junge Eichenheister anpflanzen. Die Oldenburger Bürger liebten es, auf den gepflegten Wegen spazieren zu gehen. Man trank Pyrmonter Brunnen, und für einige Jahre bestand während des Juli-Monats ein regelrechter Kurbetrieb mit einer Kurkapelle. Auf den wöchentlich erscheinenden Kurlisten las man nicht nur die Namen von Oldenburgern, auch Herrschaften aus anderen Städten, sogar aus Frankreich und Italien wurden als Brunnengäste begrüßt. Viel Ehre für die kleine Residenzstadt!

Als Oldenburg 1811 von napoleonischen Truppen besetzt wurde, war es zunächst mit den friedlichen Zeiten des Lustwandeins vorbei. Mit knapper Not konnte man die französische Besatzung daran hindern, die alten Eichen allesamt zu fällen. Nach Abzug der Franzosen und der ihnen folgenden Kosaken kamen wieder ruhigere Zeiten. Man schaute sich die schnurgeraden Alleen an und fand sie steif und langweilig. Großherzog Paul Friedrich August (1783-1853) ließ durch den angesehenen Landschaftsgärtner Julius Bosse das Eversten Holz in einen Erholungspark umgestalten. Baumgruppen, Wasserläufe und eine birkenumstandene Waldwiese vermittelten ein harmonisches Bild. Der Großherzog wollte seiner in Wien aufgewachsenen jungen Gemahlin, der Prinzessin Cäcilie von Schweden, einen „Prater" wie in der Stadt an der Donau bieten und ließ einen Reit- und Fahrweg durch das Eversten Holz anlegen. Die sumpfige Niederung im Süden des Waldparks wurde nutzbar gemacht, indem man einen Teich aushob, die sogenannte Pferdeschwemme. In späteren Jahren wurden die dem Großherzog gehörenden Holz weiden - das waren Pferdeweiden - mit in den Wald einbezogen. Das Eversten Holz erhielt seine heutigen Ausmaße. Auf dem jetzigen Spielplatz fanden die bei der Bevölkerung sehr beliebten sonntäglichen „Hornkonzerte" statt, bei denen das 91. Infanterieregiment spielte.


Günstig gelegen und viel genutzt: Der kinderfreundliche Spielplatz im Eversten Holz.

Auch diese Zeiten sind lange vorbei. Alte Everstener erinnern sich jedoch vielleicht an etliche gern besuchte Gartenlokale in unmittelbarer Nähe des Gehölzes, an das „Tivoli", an das „Weiße Lamm" und vielleicht auch noch an „Woges Tierpark". Und dann gab es da auch die „Parklichtspiele", ein Kino, das unmittelbar nach Ende des Krieges 1945 eingerichtet wurde und über 25 Jahre bestand. Vergnügliche Erinnerungen weckt dieses Filmtheater sicher nicht nur bei den älteren Einwohnern Everstens; auch Alt und Jung aus anderen Stadtteilen ging gern zu Aufführungen in den Parklichtspielen.

Quelle:

Hans-Günther Zemke (Hg), "Eversten an der Schwelle zum Jahr 2000", Verlag Ernst Knoth, Melle 1999, ISBN 3-88368-310-8. Aenne Schrape, Lehrerin i. R., Oldenburg