geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

Das kirchliche Leben in Eversten - Ihre Entstehung und heutige Gestalt


Dr. Hans Heering und Karl Dierken

Das kirchliche Leben in Eversten - Ihre Entstehung und heutige Gestalt
Die heutigen evangelischen Kirchengemeinden Oldenburg und Eversten hatten seit dem 15. Jahrhundert eine gemeinsame Geschichte bis zu dem Zeitpunkt, der den Kirchenrat der Gemeinde Oldenburg zu der Überlegung zwang, wie die kirchlichen Verhältnisse zu ändern seien, „unter denen die größte Gemeinde des Landes, nach „Aller Anerkenntnis, geradezu leidet':. Der Gemeindekirchenrat unterrichtete den Oberkirchenrat am 7. März 1854 von dem „Plan einer künftigen, den kirchlichen Zwecken entsprechenden Organisation der Kirchengemeinde Oldenburg", der aus der Feststellung, daß der „ländliche Theil" der Kirchengemeinde Oldenburg mit fast 6000 Einwohnern auf 2Vs Quadratmeilen nicht zu einer Gemeinde vereinigt werden könne, folgert, daß drei Gemeinden zur kirchlichen Versorgung des ländlichen Gebietes erforderlich seien, und das bedeutete - wenn für die Stadt und das Stadtgebiet zwei gesonderte Gemeinden vorgesehen würden — „sind erforderlich 5 Kirchen und 6 Pfarrstellen. Vorhanden sind 1 Kirche und 3 Pfarrstellen".

Als Begründung für den 1882 wiederum abgelehnten Gesetzentwurf wurden genannt: „Scheu vor den mit der Trennung verbundenen pecuniären Opfern und das Hängen am Althergebrachten", auch das „kommerzielle Interesse, weiches die Gewerbetreibenden der Stadt daran haben, daß die Landleute möglichst oft in die Stadt kommen", wurde erwähnt, wie sich umgekehrt die konservative Haltung der Landgemeinde daraus erklärt, daß „die Bewohner durch die Trennung den gewohnten Kirchweg zur Stadt, mit dem sich bei Manchen das Versorgen des Haushalts durch allerlei Einkäufe zu verbinden pflegt, sowie den gewohnten Platz im Gotteshaus verlieren würden."

Inzwischen wurde durch das Anwachsen der Bevölkerung - vor allem in der Landgemeinde die Aufteilung der Gemeinde Oldenburg so zwingend, daß 1895 ein Antrag auf Teilung der Gemeinde seitens des Gemeindekirchenrats eingebracht wurde, der von der 19. Landessynode (1897) zum Gesetz erhoben wurde. Neben den Pfarrgemeinden Oldenburg, Ohmstede und Ofen wurde gebildet „4. Pfarrgemeinde Eversten, umfassend den übrigen Theil der politischen Gemeinde Eversten (ohne Petersfehn l und II, Wechloy, Ofen, Metjendorf, Ofenerfeld und die Ortschaft Bloh), sowie denjenigen Theil, der politischen Gemeinde Wardenburg, welcher nach dem Gesetze vom 13. Decem-ber 1888 zur kirchlichen Gemeinde Oldenburg gehört."

Die Teilung wurde am 1. Mai 1901 wirksam. Die räumliche Begrenzung war gesetzlich festgelegt, die Seelenzahl „im Eversten" wurde mit ca. 3500 angegeben. Die Aufteilung des Westens wurde mit der Schwierigkeit begründet, „für die beiden bedeutendsten Schulachten desselben, Eversten und Ofen, bei ihrer geographischen Lage einen geeigneten kirchlichen Mittelpunkt zu finden und ferner die Verschiedenheit der socialen Verhältnisse in ihnen .,." Für die zu gründende Gemeinde Eversten war ein Gemeindekirchenrat mit 10 Mitgliedern vorgesehen, die am 17. April 1898 gewählt wurde. Den Vorsitz hatte Pastor C. W. 0. Ramsauer, der nach der vollzogenen Teilung der Gemeinde Oldenburg nach Ofen ging. In Eversten verwaltete zunächst der Vakanzprediger Luken die Pfarrstelle, bis am 23. Juni 1901 Pastor C. F. E. Töllner gewählt wurde. In den vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen wurde der Gemeinde Eversten der Kirchhof zugesprochen, der bereits 1877/78 auf dem „Würde-mann'schen Kamp" angelegt worden war.

Bevor zur Kirche, dem eigentlichen Wahrzeichen der neuen Gemeinde, der Grundstein gelegt werden konnte, gab es ein langwieriges Streiten um den geeigneten Ort, wobei auch die alte Wechselbezeichnung zwischen Kirche und Wirtshaus mit ins Spiel kam. Die Frage war, ob die Kirche besser auf dem Friedhof oder an der Edewechter Landstraße stände, wo der Besitzer des „grünen Jäger" ein Grundstück billig anbot. Außer dem günstigen Preis hatte der Platz an der Edewechter Landstraße nach Ansicht des Gemeindekirchenrats noch einen anderen Vorzug, es „wird sich die Kirche.., von mehreren Seiten ... sehr schön präsentieren . . . und sichtbar sein."

Der Kirchenrat entschied sich für den Platz an der Edewechter Landstraße und beauftragte im Sommer 1899 den Consistorialbaumeister Prof. Mohrmann in Hannover mit dem Bau der Kirche. Der Kostenanschlag betrug 108000,— Mark. Der Grundstein wurde am 26. Juni 1900 gelegt.

Am 1. Advent 1902 wurde die Kirche in Anwesenheit des Großherzogs und der Großherzogin eingeweiht. Der Geh. Oberkirchenrat Ramsauer hielt die Weiherede im Gottesdienst am Nachmittag um 2 Uhr. „Der Zweck der ungewöhnlichen Zeit lag wohl zum Theil in dem Wunsch, das Herzuströmen von allzuviel unbeteiligten Neugierigen zu verhüten, trotzdem konnte die Kirche (mit etwa 700 Sitzplätzen) nicht sämtliche Festteilnehmer fassen", schrieb das „Oldenburger Kirchenblatt". Es war für die junge Kirchengemeinde eine Stunde des Lebens und Dankens, aber der Berichterstatter wollte nicht verschweigen, daß diese Stunde durch eine „fünfzigjährige Arbeit nach vielen Hindernissen" möglich geworden war.

Diese Ausgliederung der ländlichen Kirchengemeinde aus der Stadtgemeinde zeigt eine genau gegenläufige Tendenz zu der etwa ein viertel Jahrhundert später erfolgten Eingliederung der politischen Gemeinde Eversten in die Stadt Oldenburg. Geht es dort um Zentralisierung in Zusammenlegung mit der größeren Verwaltungseinheit und ihren verstärkten Möglichkeiten, so hier um Dezentralisierung, weil es gerade bei der Kirche für den ihr eigenen Bereich der Seelsorge auf Nähe, persönliche Zuwendung und Überschaubarkeit ankommt. Räume braucht man in diesem Modell im wesentlichen nur für Gottesdienst und Amtshandlungen, sowie für den Unterricht - also Kirche und Konfirmandensaal. Bei dieser so wenig raumintensiven Arbeit, kam man mit dem gleichen Bauvolumen fast ein halbes Jahrhundert aus, wobei man sicher vor Augen haben muß, daß der politische Wechsel der dreißiger Jahre z. B. bestimmte Formen aufkommender Arbeit in der Jugend unmöglich machte.

Zwar brachten schon die zwanziger Jahre schwere Verfall- und Verwitterungserscheinungen im Außenmauerwerk der Kirche - das häßliche Schutzgitter über dem Portal mußte angebracht werden und die besonders anfälligen Formstücke der Neugotik mußten weitgehend abgetragen werden -, die endgültige Sanierung des Gebäudes jedoch wurde bis in die sechziger Jahre hinausgeschoben. Die erste wirkliche Ergänzung im Baubestand der ev. Gemeinde war der Neubau der Friedhofskapelle — einer damaligen Tendenz folgend — kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges. Für das Leben der Gemeinde aber war mindestens ebenso wichtig die 1929 erfolgte Einrichtung der Gemeindeschwesternstation und zusätzliche Einstellung eines Hilfspredigers.

Die eigentlichen Veränderungen aber im konzeptionellen wie baulichen Bereich fallen in die Nachkriegszeit. Versuchte man zunächst noch mit gewissen Modifikationen die herkömmliche Arbeit fortzusetzen und vor allem die brennende Not zu lindern, so nahm man schon sehr bald neue soziale Aufgaben wahr. 1952 wurde in Zusammenarbeit mit der Stadt der Kindergarten Edewechter Landstraße eingerichtet, 1969 kam der in Bloherfelde hinzu, 1974 der im Bereich der Hundsmühler Straße. Hier scheint sich, ergänzt durch das Angebot der kath. Kirche, allmählich eine Sättigung des Bedarfes anzubahnen, zumal die Geburtenzahl stark rückläufig ist und die Kindergärten in absehbarer Zelt die ältesten Jahrgänge an die Vorschule abgeben müssen.

Während an der einen Kirche für die Gesamtgemeinde festgehalten wurde, baute man für die immer stärker werdende Gruppenarbeit, die altersspezifisch und sachgebunden differenziert geführt wurde, das Gemeindehaus Zietenstraße, das mit seinem großen Saal den Bürgern unseres Stadtteils oft zur Verfügung steht. Entsprechend den sich baulich herausbildenden Schwerpunkten wurden die Gemeindezentren Hundsmühler Straße (1965) und Bloherfelde (1969/70) gebaut, die längst beide voll ausgelastet sind.

Da inzwischen aus der kleinen Landgemeinde eine verstädterte Zone mit erheblichen Ballungsräumen geworden ist, die gemäß den natürlichen Schwerpunkten auch ihre kirchlichen Kommunikationszentren hat, tauchte immer wieder die Frage nach der sachentsprechenden Gliederung auf.

Im Teilungsgesetz von 1969 machte unsere Synode einen Versuch. Sie bildete vier Gemeinden, die aber in einer Gesamlgemeincle zusammengeschlossen blieben. Es sollte damit erreicht werden, daß die guten und notwendigen Momente der persönlichen Zuwendung möglichst erhalten bleiben, daneben aber notwendige funktionale Arbeiten über den einzelnen kleinen Bereich hinaus sinnvoll und sachentsprechend aufgenommen werden können. Mit diesen sogenannten Strukturproblemen, die aber tief in das innere Leben einerGemeinde eingreifen und entscheidend sind für einen sinnvollen Gemeindeaufbau, wird sich die Gesamtgemeinde auseinanderzusetzen haben, nachdem die notwendigen Bauten weitgehend erstellt worden sind.

In der kath. Kirche der Nachkriegszeit sind in unserem Raum ähnliche Wege gegangen worden. Unsere Kirchengemeinde St. Wülehad ist aus der Stadtkirchengemeinde ausgegliedert worden und nach dem Bau ihrer Kirche in der Eichenstraße das Gemeindezentrum Bloherfelde aufgebaut und ihrer Kirche nach und nach ein Gemeindezentrum mit Kindergarten angegliedert. In ihren Einzugsbereich gehört auch die Kirche in Moslesfehn.

Das kirchliche Angebot wird noch ergänzt durch unser jüngstes Gemeindezentrum, das der freikirchlichen Gemeinde gehört.

Quelle:

Bürgerverein Eversten, "50 Jahre Eversten", Oldenburg. Dr. Hans Hering und Karl Dierken