geschichte
- Geschichtliche Entwicklung des Stadtteils Eversten -

TuS Eversten - Sport schaffte Zukunft


Günter Husmann

TuS Eversten - Sport schaffte Zukunft
Der Krieg war zu Ende gegangen, und von Tag zu Tag trafen mehr Heimkehrer in Eversten ein. Damals hatte die Hauptstraße noch den alten Vorbau, in dem Walter Rüther seinen Buch- und Zeitschriftenladen betrieb. So kam es dann beim täglichen Zeitungskauf zu immer neuen Begegnungen mit alten Freunden und früheren Kameraden. Nachdem die britische Besatzungsmacht das Versammlungsverbot aufgehoben hatte, fand bei Anna Ripken die erste Versammlung des Turnvereins nach dem Kriege statt: Gustav Picking war 1 .Vorsitzender, und wir beschlossen, in der alten Turnhalle den Betrieb wieder aufzunehmen. Der Stamm des Vereins bestand aus den alten „Everster Turnern". Georg Harms, damals schon Ehrenvorsitzender, hatte während der NS-Zeit eine Umbenennung des Vereins verhindern können. Er gehörte nach Emil Ohlenbusch, der von 1897 bis 1914 Vorsitzender des Vereins war, zu den großen Persönlichkeiten der Vereinsführung, die den Verein bis zum Kriegsausbruch geleitet hatten. Die britischen Besatzungsbehörden schickten Georg Harms in den ersten Stadtrat, wo er zum Wiederaufbau der Verwaltung beitrug. In den Jahren vor der Währungsreform, als mein Weg im Turnverein begann, war unsere Turnhalle nur notdürftig hergerichtet. Das Dach war leck, und bei heftigem Regen war das alte Sägekaff naß und matschig. Zunächst turnten wir nach Art des Turnvaters Jahn; dann begannen wir mit dem Handballspiel, nicht meine Stärke. Dennoch wurde ich Handballwart. Zuhause im Laden nur Lehrling, hatte ich hier erstmals etwas zu sagen. Heute wundere ich mich, wo ich mich im Verein überall betätigt habe. Wegen meiner Bemühungen hatte ich bald neben den alten Herren, den Turnern und Handballspielern auch die meisten Fußballspieler auf meiner Seite. So wurde ich schon 1948 zum 1. Vorsitzenden vorgeschlagen, aber als zu jung befunden. Mit einigen Stimmen Vorsprung wurde ich 2. Vorsitzender, den Verein leitete Karl Magnus, der vom TuS Bloherfelde gekommen war. Er hatte große Erfahrung als Büroleiter bei der Herdbuchgesellschaft in der Verwaltungsarbeit und in der Erstellung von Druckschriften.

1954 wurde ich dann 1.Vorsitzender mit zwei Jahren freiwilliger Unterbrechung; denn Freddy Gundelach hatte den Wunsch, zwei Jahre Vorsitzender zu sein, weil er für seine Bewerbung für die Leitung des NFV-Fußball-toto-Altenheims Praxis in einem Verein brauchte. Als sich die Bewerbung zerschlug, folgte ihm Erich Womerat; dann kam ich wieder dran. Ich gab das Amt 1980 ab.

Unsere kleinen Freuden lagen in den Vereinsveranstaltungen. Nach dem Holschenball der ersten Nachkriegsjahre kamen nun der EDIA und das Stiftungsfest. EDIA war eine Tanzveranstaltung, die in den zwanziger Jahren aus der Not heraus geboren worden war. Der Verein benötigte für die Erhaltung seiner Halle immer wieder Geld; die Eintrittspreise reichten nicht. So wurde eine Tombola ins Leben gerufen. Die Gewinne bestanden aus Geschenken der Kaufleute. Auf einen Gewinn kamen sechs Nieten. Die Lose kosteten 20 Pfennig und brachten einen Reingewinn von einigen hundert Mark. Als Krönung der Geschäftstätigkeit wurde der „RUMPOTT" angesetzt und Glas für Glas verkauft. Fünf Flaschen Rum, ein Zwanzig-Liter-Kanister Klaren, unzählige Gläser Obstkonserven, die von der Damenabteilung gestiftet wurden, ergaben eine gehörige Menge „RUMPOTT". Als dann auch Bickbeeren und Kirschen mit Kernen gestiftet wurden, hatten wir einen undefinierbaren Rumpott. Ich habe später den Rumpott aus Pfirsich- und Ananaskonserven erstellt, so daß die Beschwerden fortfielen, man habe sich einen blauen Mund geholt.

Neben dem Wanderclub der Herren gab es den EDELWEISSCLUB der Everster Damen. Er hatte die Gewohnheit, einmal im Jahr ein gemeinsames Aalessen zu veranstalten. Nur Frauen waren zugelassen, außer Fritz Grönemeyer. Er durfte in Frauenkleidern Klavier spielen. Einmal durfte ich auch dabei sein: Mit meiner schönen alten Adler-Schreibmaschine hatte ich zwanzig ältere Damen angeschrieben, einmal als Gast zum EDIA zu kommen. Und sie kamen alle. Ich überreichte ihnen ein Achtpfund-Schwarzbrot, wie es zum Aalessen üblich war. Prompt wurde ich zum nächsten Aalessen eingeladen. Auf dem Tisch standen mehrere Schüsseln mit mehr als dreißig Aalen, zwei große Bowlen mit Klarem Korn und Würfelzucker. Nach altem Ritus wurden die Aale enthäutet und durch den Mund gezogen; dazu Klarer getrunken. Heute weiß ich nicht mehr, wie viele Aale ich gegessen und wie viele Schnäpse getrunken hatte.

Wegen des erfolgreichen EDIA mit finanziellem Reingewinn wurde ich Ehrenmitglied der Wanderbrüder im Verein. Mitglied durfte nur werden, wer über 65 Jahre alt oder pensioniert war. Die Höchstzahl der einstimmig gewählten Mitglieder war auf 18 beschränkt. Everstener wie Georg Harms, dem Besitzer der Oldenburgischen Eisen-Gießerei, Heinrich Fink, genannt „Hut-Fink", der Singwart im Verein war und zweimal ein Klavier für die Gymnastik stiftete, der Uhrmacher Heinrich Mönnich, der an den Wandertagen den Beitrag von 50 Pfennig kassieren mußte, oder Georg Schreiber, Heinrich Wreden, lange Jahre Kassenwart des Vereins, Jan Hoyer, der zu den Stiftern der Turnhalle gehörte, waren die Persönlichkeiten in jener aufregenden Nachkriegszeit des TuS-Eversten.

Quelle:

Hans-Günther Zemke (Hg), "Eversten an der Schwelle zum Jahr 2000", Verlag Ernst Knoth, Melle 1999, ISBN 3-88368-310-8. Günter Husmann, Turn- und Sportfreunde Eversten e. V.